Ich sitze hier in Deinem Zimmer auf dem schönen terrakottafarbenen Sofa und betrachte mir noch mal die nun fast leer geräumte Wohnung. Du bist am 20.07.2016 ganz überraschend von uns gegangen.
Du fehlst mir sehr. Du hast nach meinem Zusammenbruch im Mai 2014 irgendwann später zu mir gesagt, als ich mich immer weiter von meiner bisherigen Arbeit entfernte und spürte, dass ich mit dem Druck und der Arbeitsverdichtung nicht mehr klarkomme, da hast Du zu mir gesagt:
“Birgit willst du nicht was mit Pflanzen machen? Willst Du nicht was mit Deinem grünen Daumen machen?”
Das war ein ganz wichtiger Impuls gewesen. Ja, Gärtnern war mir schon immer wichtig und hat mir Kraft, Energie und so viel Freude gegeben. Auch Du warst sehr naturverbunden. Wir haben das immer wieder ausgelebt und gemerkt, wie wichtig uns die Natur ist und wie günstig sich diese auf unser Wohlbefinden auswirkt.
Ja, ich möchte was mit Grün machen. Danke liebe Tante Ruth. Danke für die Begleitung in den letzten 50 Jahren und danke für diesen so wichtigen Impuls.
Nun, da ich in der fast leeren Wohnung sitze, und ich noch mal ganz intensiv beim Räumen gespürt habe, wie wichtig Dir Sprache, Ausdruck und Kommunikation war, so möchte ich dies in Deinem Sinne fortführen. Ich übernehme Dein riesiges Bücherregal mit Freude und ganz viele Bücher von Dir, viele zum Thema Natur, Gesundheit, Entwicklung. Und ich übernehme viele Deiner noch nicht beschriebenen Postkarten, Dein Schreibmaterial, Deine leeren Notizbücher.
Liebe Tante Ruth, ich widme Dir meine Homepage, meinem Blog.
Danke liebe Tante Ruth. Du hast mich so lange begleitet, so wichtige Impulse gegeben. Du begleitest mich weiterhin, ich spüre das.
Danke Tante Ruth.
2. August 2020
Lieber Papa! Du fehlst mir sehr.
Ich bin froh, dass Du nach Deiner Hirnblutung 1994 noch 25 Jahre bei uns warst. Wir haben Dich alle gern umsorgt. Du warst einfach da, das war schön. Nun fehlst Du mir. Die vielen Ausflüge mit Dir waren so wunderbar. Dein Lebensmut, Deine Freude, Deine Aufgeschlossenheit. Es war schön, das immer wieder zu erleben. Ich danke Mama, dass sie die Kraft und Energie hatte, Dich so lange zu versorgen.
Danke, dass ich in den letzten Minuten hier bei uns in meinem schönsten roten Kleid Deine Hand halten durfte.
Du als gelernter Baumschulgärtner und Gartenbauingenieur hast mich entscheidend geprägt. Ich habe die Ausflüge zur Freundschaftsinsel nach Potsdam, unsere regelmäßigen Urlaube, die vielen Besuche von Parks und schönen Landschaften geliebt. Eine beste Erinnerung ist ein Sonntagnachmittag, wo wir auf den Kleinmachnower Weinbergen im Winter bei tiefen Temperaturen Zweige abgeschnitten haben und diese über Bücher anhand der Knospen bestimmt haben. Ich habe unser Spiel geliebt, bei Ausflügen in Parks, Bäume zu bestimmen. Ich bin dankbar, dass Du mich als Kind mit zur Dendrologen-Tagung nach Potsdam mitgenommen hast. So ist tief in mir eine große Liebe zur Natur angelegt. Ebenso zur Selbstversorgung und Gartengestaltung. Das prägte meine Kindheit.
Danke Papa.
14.04.2024
Liebe Mama!
Seit Deinem Tod ist ein Jahr vergangen. Ich schreibe hier zum 80jährigen Jubiläum vom Ende des 2. Weltkrieges. Du hast zweimal Dein Elternhaus, Euren Bauernhof, in Gruna/Schlesien mit Deiner Mama Elsa und jüngerem Bruder Manfred verlassen. Bist einmal zurückgekommen, dann gelandet in Tanna, einem wirklich kleinen Dorf mit nur 5 Häusern. Zur Schule musstest Du eine Stunde laufen, eine Stunde morgens, eine Stunde abends.
Du warst die beste Mama der Welt. Hast uns drei Kinder gehegt, umsorgt, mit Liebe gefüllt. Wir konnten uns immer auf Dich verlassen.
Danke.
Das Aufschreiben Deiner Lebensgeschichte für die Sammlung von sogenannten Stoffgeschichten für die Neue Dorfkirche in Kleinmachnow sehe ich als Beginn meiner schriftstellerischen Reise an. Die neue Dorfkirche in Kleinmachnow sollte 2016 eine Kunstinstallation erhalten, in der Stoffe/Textilien verarbeitet werden, die von Kleinmachnowern abgegeben wurden. Parallel dazu wurde ein Buch verlegt, dass “Stoffgeschichten” enthält. Mama gab ein Stück Plauener Spitze in weiß.
Mama ist Spitze — im Plauener Weiß
Am 8. März dieses Jahres (2016) feierte meine Mama ihren 80. Geburtstag mit ihrem Mann Siegfried und den 3 Kindern Jörg, Birgit und Steffen. Seit 54 Jahren wohnt die Familie Saupe in Kleinmachnow.
Aus dieser echten Plauener Spitze besitzt meine Mama eine wunderschöne eng geschnittene Bluse, die sie im Alter von 18 Jahren bis zum Alter von 25 Jahren getragen hat.
Meine Mama hatte es nie leicht im Leben. Sie stammt aus einem Bauernhof in Schlesien, zweimal floh sie vor den Russen und wurde dann sesshaft in einem klitzekleinen Dorf in Thüringen, in Tanna. Zur Schule musste sie eine ganze Stunde laufen. Von 1952 bis 1962 lebte sie in Zeitz, machte dort eine Lehre als Textileinzelhandelskaufmann bei einem Herrenausstatter und arbeitete dann auch in diesem Geschäft. Sie hatte in Zeitz ein kleines Zimmer in einer Pension für Schüler, auch nach Beendigung der Lehre, die sie wegen guter Leistungen auf 2 Jahre verkürzte. Von einem der ersten vollen Gehälter kaufte sie sich die wunderschöne Festtagsbluse und trug diese bei Theaterbesuchen in Zeitz/Thüringen. Oft ging sie allein ins Theater, gern auch mit ihrer Freundin Hannelore, die leider im vergangenen Jahr verstarb. Hannelore lernte in Zeitz Drogistin, der Kontakt hielt ein Leben lang. Unsere Mama lebte uns immer vor, Freundschaften und Bekanntschaften lange zu leben, diese weiterzuführen, auch in schwierigen Zeiten. Mit ihrer Freundin Hannelore sah sie in Zeitz z. B. die Oper „Zar und Zimmermann“, die zeitlebens ihre Lieblingsoper blieb. Auch sang sie im Chor. Ein Höhepunkt war die Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie — Mama sang den Schlusschor „Ode an die Freude“ in der wunderschönen weißen Bluse.
Als Mama Pfingsten 1959 meinen Vater beim Tanz in der Gaststätte „Rosengarten“ in Rolika/Thüringen kennenlernte, wurde es eine Beziehung fürs Leben. Am 7.5.1962 wurde geheiratet. Papa hatte nach einer kurzen Zwischenstation in Cottbus eine Arbeitsstelle in Kleinmachnow erhalten. Dort wurden alle drei Kinder geboren und groß gezogen. Wir wuchsen in Kleinmachnow sehr behütet auf, unsere Mama begann erst wieder zu arbeiten, als der jüngste Sohn Steffen 12 Jahre alt war. Als ich kürzlich wieder mal die Klassenbücher meiner Schulzeit in der Maxim-Gorki-Oberschule, damals noch am Weinberg, durchschaute, wurde mir wieder klar, wie viel Zeit unsere Mutter auch der Ausbildung der Kinder gewidmet hatte. Wie oft buk sie Kuchen für die zahlreichen Kuchenbasare, wie oft begleitete sie die Schüler zu Klassenreisen, zu Theaterbesuchen nach Potsdam ins Hans-Otto-Theater. Mama war eine starke, zuverlässige Stütze, auch in der Kirchengemeinde. In der Dorfkirche, die sie liebt, half sie bei der offenen Kirche. Oft ist sie dort zu Konzerten. Als ihre Mama nicht mehr allein im klitzekleinen Dorf Tanna/Thüringen leben konnte, holte sie Mama zu sich ins Haus. 1994 ereilte meinen Papa eine Gehirnblutung. Seit diesem Zeitpunkt hatte Mama eine neue Aufgabe, die sie absolut zuverlässig und diszipliniert erfüllt: die Pflege meines Vaters. Bewundernswert, wie sie unseren Vater pflegt, wie sie die alten Kontakte fortführt, mit Papa im Rollstuhl in Urlaub fuhr. Stets wurde und wird Papa animiert, aktiv zu bleiben, sich seine Bewegung zu erhalten und am Leben teilzunehmen.
Zeitlebens hütete Mama diese wunderbare weiße Bluse aus echter Plauener Spitze. Sie ist ein Synonym für ihre Liebe zur Musik, zur Kultur.
Danke Mama, Du hast uns Kindern Wurzeln gegeben und Flügel.
6 Antworten
Meine liebe Frau Schattling, ich sitze hier und die Tränen stehen mir in den Augen, das haben Sie so wundervoll gemacht, eine so liebevolle Ehrung für unsere liebe Ruth, es berührt mich so sehr und ich danke Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie ihr eine solch tolle Widmung gegeben haben. Ja in unseren Herzen wird sie für immer weiter leben und wir werden ihr, so lange wir da sind, ein ehrenvolles Gedenken bewahren. Nochmals vielen Dank, das haben Sie so wunderschön und würdevoll gestaltet, ganz so, wie es unsere liebe Ruth verdient hat.
Herzlichst
Ihre Marina Wagner und Familie
Danke für Ihre Worte liebe Familie Wagner. Wir werden Ruth immer gedenken.
Liebe Birgit,
es ist total schön zu sehen, wie dieser liebevolle Anschubs Deiner Tante wächst und gedeiht und so viel Freude und Wachstum hervorbringt <3
Liebe Tante Ruth! Seit Deinem Tod sind genau 6 Monate vergangen. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an Dich gedacht habe. Es war so eine gute Eingebung, diesen Blog DIR zu widmen. So lebst Du, so wirkst Du, Du bist bei uns, Du bist weiterhin groß und so wichtig. Die Idee des Bio-Balkons wächst und gedeiht, sie wird noch stärker werden. Du bist dabei, Dir ist es gewidmet. Danke für Deine Unterstützung auf meinem Weg. Für die vielen Anregungen, die Du mir gegeben hast. Unvergessen. Deine Nichte Birgit
Liebe Tante Ruth ❤️! Nun sind genau zwei Jahre vergangen seit Deinem überraschenden Tod. Ich denke oft an Dich. Du bist in meinen Gedanken und Handeln. Das Dir gewidmete Projekt entwickelt sich unglaublich gut. Du wirst es sehen und stolz auf mich sein. Besonders überrascht bin ich nach diesem tollen Fernsehbeitrag in der Berliner Abendschau über meinen Balkon, dass ich den Medienpreis 2018 der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. bekomme. Am 12.10.18 fahre ich mit ❤️Paul❤️ zur Insel Mainau — der Preis wird im Weißen Saal vom Schloß überrascht. Mama wurde ganz lebendig und freute sich sehr, dass ihre Tochter einen Preis bekommt. Auch noch im Schloß der Insel Mainau. Ich freue mich riesig, mein/Dein Projekt läuft prima. Bestes Feedback. Mir macht es Spaß, es ist heilsam, ich widme meine Arbeit schönen, wichtigen Sachen, vergebe Herzchen, gebe Tipps, inspiriere. Das macht wirklich Spaß. Dein ❤️Konrad❤️ entwickelt sich wirklich gut. Er ist nicht mehr gespalten. Er fühlt sich gut aufgehoben im Wohnheim und in der Werkstatt. Ich durfte ihn zu seinem Geburtstag drücken. Ich bin mit Paul hingefahren. Wir haben wunderbar in der Gruppe und in der Koch AG gefeiert. Er spricht besser. Das ist ein Wunder. Er freute sich richtig, als wir ihm nah waren. Du siehst, es läuft. Aber Du fehlst uns. ❤️Mir❤️, ❤️Carola❤️, ❤️Frau Wagner❤️, noch ganz vielen vielen Menschen. ❤️ Deine Birgit ❤️
Liebe Tante Ruth! In diesem Corona-Jahr fehlt es mir wieder besonders, mit Dir zu telefonieren. Bei den Eltern wird es immer schwieriger. Das Verhältnis zu Jörg und Carola ist sehr angespannt. Mir tut das richtig weh. Wenigstens weiß ich, dass Konrad gut versorgt ist. Paul und ich wollten zu seinem Geburtstag mit ihm und Susi essen gehen. Einen Tag davor sagte das Heim ab, weil in Magdeburg die Corona-Zahlen anstiegen. Hoffentlich kann er wenigstens Weihnachten wieder zu uns kommen. Wir genießen die Zeit mit ihm immer sehr. Ich freue mich, dass mein Buch nach 4 Monaten schon eine zweite Auflage bekommen hat. Momentan wird Selbstversorgung immer wichtiger. Da die Eichhörnchen so viel auf dem Erholungsbalkon runterfressen, habe ich intensiv auf den Balkonfenstern gegärtnert. Paul hat übervolle grüne Balkonkästen auf seinen Fensterbrettern, das ist so herrlich. Das hätte Dir auch gefallen. Ich wünschte mir, dass Du mal wieder mit Konrad hier bei uns zu Gast bist und wir sprechen können. Aber ich weiß, Du schaust auf uns. Du bist bei uns. Sei gedrückt, Deine ❤️ Birgit ❤️